Bolt Action Campaign Gigant – Unternehmen Seelöwe: Die zweite Front
Campaign Gigant - Operation Sea Lion: The Second Front, knüpft dort an, wo das erste Buch Campaign Sea Lion / Unternehmen Seelöwe endete oder besser gesagt, gestoppt wurde. Der Plan einer deutschen Invasion Großbritanniens wird weiter gesponnen.
Da das erste Kapitel des hypothetischen Unternehmen Seelöwe aus Produktsicht recht erfolgreich war, gab es von Warlord Games zügig eine Fortsetzung. Da für viele Themen die Grundlage mit dem 124 Seiten dicken Buch bereits geschaffen wurde, kommt Campaign Gigant mit "nur" 64 Seiten auf knapp der Hälfte aus. Das senkt den Preis, so liegt dieser bei 20 USD / 12,99 GBP, was grob 15 EUR entspricht.
Anders als die anderen Erweiterungen für Bolt Action gibt es dieses Mal leider keine Sonderminiatur. Aber auch Gigant stammt wie schon Seelöwe aus der Feder von Dr. John Lambshead, und er wurde dabei von Paul Sawyer und John Stallard (den Inhabern von Warlord Games). unterstützt. Da er bereits in der ersten Review vorgestellt wurde, wird dieser Abschnitt hier übersprungen, kann aber hier nachgelesen werden.
Worum geht es?
Während bei Seelöwe noch ein hypothetischer Handlungsbogen simuliert wurde, mit einem historischen Plan der jedoch niemals in die Realität umgesetzt wurde, ist die Gigant Erweiterung bestenfalls "alternative Geschichte", wenn nicht eher reine Fiktion. Das räumt Lambshead auch in den Anmerkungen des Autors ein, bietet aber ihm und insbesondere den Spielern deutlich mehr Flexibilität und kreative Freiräume. Wo stehen wir aktuell? Im Sommer 1940 ist die amphibische Invasion des Südens der englischen Insel gescheitert, da die Royal Navy die Kontrolle über den Ärmelkanal zurück erlangt. Damit sind die deutschen Truppen in einer ausweglosen Situation, die Hitler dazu zwingt einen anderen Weg einzuschlagen, um die Invasion von Großbritannien voranzutreiben. Die Messerschmitt Me 323 Gigant leiht diesem Unternehmen ihren Namen. Mit einer Transportkapazität von bis zu 130 Soldaten, sogar genug um einen Panzer IV zu transportieren, eröffnen sich - theoretisch - neue Möglichkeiten. Mit der Annahme, dass dieser Flieger verfügbar gewesen wäre und dass die Luftwaffe ihre Luftangriffe über Großbritannien fortführen konnte, ist ein alternative Ansatz möglich. So eröffnet sich eine zweite Front und neue Möglichkeiten für Regeln und Spieler. In Ergänzung, da dies kein kleines Unterfangen war, wurde ein deutsches Expeditionskorps, das Deutsche England Korps (DEK, im Stil des Afrika Korps) gegründet.
Was erhalten wir also an neuem Inhalt auf den 64 Seiten? Es wird erst einmal die geänderte Ausgangslage erläutert. Wir erhalten einen neuen Status Quo der Kampagne sowie ein paar Informationen zur politischen Situation, die uns zum "hier und jetzt" gebracht hat und welche die Weichen gestellt hat, für die bevorstehenden Kämpfe und Schlachten. Es gibt vier neue Szenarien und neue Einheiten für die Armeen der Briten und Deutschen. Etwa ein Drittel der 64 Seiten sind Einleitung, 8 Seiten fallen auf die neuen Szenarien und die restlichen Seiten werde für die neuen Einheiten genutzt (Infanterie sowie Fahrzeuge).
Erster Eindruck
Selbst diese kleineren Projekte profitieren von der Zusammenarbeit von Warlord und Osprey. Die Qualität des Buchs selbst, ist gewohnt hoch. Druck und Bindung sind hervorragend. Es gibt zahlreiche Illustrationen von Peter Dennis, außerdem auch Karten und ein paar technische Zeichnungen der Me 323 Gigant. Ein weiterer Aspekt, der das Buch ungemein aufwertet sind die zahlreichen gezeigten Dioramen und Schlachtszenen, welche mit den "zugekauften" Footsore Miniaturen und Sarissa Precision MDF Gebäuden gestellt wurden. Es gibt relativ wenig Bilder aus den Osprey Bänden, da für eine deutsche Invasion verglichen mit dem üblichen Fundus eher weniger passendes Material finden lässt. Die Bilder deutscher Soldaten vor englischen Pubs oder Panzern auf Cricketfeldern sorgen entsprechend für eine passende Einstimmung.
Aber - und das ist ein größeres Aber, als bei der ersten Erweiterung - das Buch ist ungemein anglozentrisch. Selbst der Autor spricht es an, dass er den Konflikt für mehr Spieler öffnen wollte, um das "Heimspiel"-Gefühl aus dem englischen Südosten auszuweiten, aber es ist immer noch ungemein fokussiert auf die Briten. So erhalten die Briten in Ergänzung zu den bereits sehr breit aufgestellten Auswahlen aus Milizen und semiprofessionellen Soldaten aus dem erste Buch noch weitere Einheiten dieser Art, so kann man verschiedene Einheiten unterschiedlicher englischer Mannschaftssportarten aufstellen. Für die Deutschen gibt es zwar das Deutsche England Korps, aber das klingt erst einmal deutlich aufregender als es wirklich ist, da sich dahinter unterm Strich nur eine Panzerliste der frühen Kriegsjahre versteckt. Die neuen deutschen Einheiten sind IRA Kollaborateure und ein paar leichte Panzer und LKW. Die Briten haben jetzt sogar Regeln um den schweren Mark IV Panzer aus dem ersten Weltkrieg aufzustellen. Verzweifelte Situationen führen zu verzweifelten Maßnahmen. Damit dürfen sich die Briten auf 15 Seiten deutlich mehr über neue Inhalte freuen, als die Invasoren mit etwa 10 Seiten.
Die vier Szenarien sind dabei die Folgenden
- Das Luftlande-Szenario
- Der magische Teppich-Szenario
- Die Schlacht von Nottingham
- Die Schlacht um die große nördliche Straße
Dabei greift man die Separation zwischen Patrol und Battle Größe der Szenarien, welche im ersten Buch vorgestellt wurde, erneut auf. Natürlich gibt es hier auch wieder ein paar Easter Eggs, so sind die Schlacht um Nottingham (Heimat zahlreicher Tabletopfirmen) oder der LKW mit der Aufschrift "Stallard & Co - Toy Company" (als Andeutung auf John Stallard, einen der Gründer / Inhaber von Warlord Games) als Augenzwinkern zu verstehen.
Wie spielt sich Operation Gigant / Sea Lion: The Second Front?
Obwohl es weiter voran geht, bleibt man bei dem vergleichsweise leichtem Equipment der frühen Kriegsjahre und eben beschränkt auf die Ausrüstung, welche selbst ein so großes Trumm wie die Me 323 Gigant auf die britischen Inseln transportieren konnte. Ja, es gibt mehr Panzer als bei Seelöwe, aber wir reden hier über Panzer I oder Somua R35 auf der einen Seite und LKW und Vickers auf der anderen Seite. Wo Bolt Action in Richtung der Very British Civil War mit Operation Sea Lion nur freundlich zugenickt hatte, ist Operation Gigant ist sehr deutliches Augenzwinkern. Es ist nicht das fehlende Bindeglied, bringt beide "Welten" aber deutlich näher zusammen.
Wie geht es weiter?
Da diese Review leicht verzögert erschienen ist, sind die nächsten Erweiterungen zu Neuguinea und The Road to Berlin bereits verfügbar und werden hier in Kürze vorgestellt. Aber was erwartet uns darüber hinaus bei Bolt Action? Im Februar 2018 wird die nächste Erweiterung erscheinen und sich wieder der Westfront widmen, mit Campaign Market Garden, der umfangreichen Luftlandeoperation der entlang der deutsch-niederländischen Grenze. Warlord bietet mittlerweile alle Fallschirmspringer in Plastik an (besonders mit der britischen Paratrooper Box, aus welcher man britische und polnische Einheiten bauen kann), daher dürfte das wirklich interessant werden. Darüber hinaus gibt es leider noch keine weiteren Informationen, was uns ab dem Sommer erwartet. Hier sind auch die Plastiksets nicht unbedingt eine gute Spur, da diese häufig unabhängig von den Büchern / Erweiterungen erscheinen.
Fazit
Die Qualität des Buchs überzeigt, es ist etwas günstiger als die anderen Erweiterungen. Das ist auch gut so, da der Umfang auch nur halb so dick ist. Ein wenig schade ist es auch, dass man hier auf eine Sonderminiatur verzichtet hat. Das Fazit zu Gigant fällt nicht wirklich anders aus als zu Seelöwe. Selbst mit der Erweiterung und "neuem" Inhalt, ist die Kampagne sehr anglozentrisch und der Inhalt dürfte fast nur Spieler ansprechen, die einen entsprechenden Bezug zum Vereinigten Königreich haben oder anglophil sind.
Die Frage ist auch, wo zieht man hier die Linie? Wenn man sich bereits in einem alternativen Geschichtsstrang bewegt, warum widmet man dann nicht auch ein paar Seiten einem hypothetischen Erfolg der Kampagne? Das würde das Buch deutlich stärker öffnen und es nicht nur um die Briten drehen lassen. Um ehrlich zu sein, das Buch ist nett, aber dabei bleibt es auch. Was es an Inhalt mitbringt, kann recht einfach mit dem umgesetzt werden, was man bereits mit dem ersten Buch und den Grundregelwerk bzw. Armeebüchern zur Hand hat. Spielt die bereits verfügbaren Szenarien, nur mit anderen Armeelisten, fertig. Es gibt ein paar neue unerfahrene Einheiten in diesem Buch, aber hier bringt Seelöwe bereits eine sehr breite Palette mit, weshalb das Argument für dieses Buch leider eher schwach ausfällt. Ganz hart gesagt, man braucht dieses Buch nur, wenn sich die Leute in eurem Umfeld darauf berufen "offizielle" Regeln verwenden zu müssen und sich nicht mit etwas kreativem Umgang der bereits vorhandenen Inhalte aus den "Armies of..." oder anderen für Bolt Action bereits verfügbaren Erweiterungen zufrieden geben.
Darüber hinaus, wem die Idee "moderner" Konflikte auf englischem Boden gefallen, mit Fokus auf leichteres Kriegsgerät und kleineren Schlachten, der sollte sich Very British Civil War von Solway Crafts and Miniatures einmal näher ansehen. Die Bücher sind unter anderem über North Star Miniatures erhältlich und die passenden Miniaturen über Footsore Miniatures und Warlord Games.
Bolt Action ist eine Marke von Warlord Games.
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